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Kapitel 7 (d)

7.4 Ausblick

Wahrscheinlich wird es immer genügend Programmierer geben, die ohne finanziellen Ansporn freie Software entwickeln. Aber man sollte ruhig etwas über den Tellerrand hinausblicken, denn wenn die Regierungen in den USA, Frankreich und Deutschland Open Source unterstützen und wenn freie Software in den wirtschaftlich weniger entwickelten Ländern wie China, Mexiko und Brasilien massiv eingesetzt wird, dann kann es sich nicht nur um einen kurzfristigen Modetrend handeln.

Trotzdem sollte der momentane Erfolg nicht dazu führen, sich auf den geernteten Lorbeeren auszuruhen. Neu gewonnene Anwender - und dazu gehört vor allem der weniger erfahrene Nutzer - benötigen einfach zu bedienende Software. Schwächen im Oberflächendesign, in der Ergonomie und mangelnde Intuition bei der Benutzerführung müssen behoben werden. Doch neben den technischen Eigenschaften sollten auch gerade ökonomische und soziale Aspekte nicht vernachlässigt werden. Weiterhin muß freie Software in der Bildung gefördert und neue Finanzierungsmodelle entwickelt werden. Die Presse ist wichtiges Sprachrohr und Marketing wird auch in der Open-Source-Welt seinen festen Platz haben. Wenn durch all diese Maßnahmen Leute dazu ermutigt werden, freie Software zu schreiben und zu nutzen, dann ist ein wesentliches Ziel erreicht.

"I do think that the spread of some of the concepts that underlie free software - the idea that sharing benefits us all, that cooperation can raise all boats at once - could be immensely healthy for society, however." - Andrew Leonard

Eine interessante Frage wird bleiben: Wann ist es sinnvoll, eine Software freizugeben? Eine klare, unbestrittene Antwort gibt es nicht. Sicherlich ist es für die Allgemeinheit nicht sonderlich wertvoll, wenn ihr eine forschungsintensive Software mit äußerst effizienten Algorithmen für ein hochspezielles Einsatzgebiet in den Schoß gelegt wird. Sie profitiert vielmehr dann, wenn ihr Programme gegeben werden, die bekannte und allgemeine, technische Probleme lösen, die viele betreffen. Eine Software kann über einen gewissen Zeitraum vom ersten ins zweite Stadium übergehen [56]. Gutes Beispiel dafür sind die einstmals revolutionären Algorithmen zur Darstellung von dreidimensional animierten Grafiken wie im berühmten Computerspiel Doom. Heute ist Doom Open Source, und die dazugehörigen Grafikroutinen sind allgemein bekannt.

Diskutiert man freie Software, so muß man auch den Wert von frei verfügbarer Information im Auge behalten. Wissenschaftliche und akademische Kenntnisse sind in ihrer Offenheit Fundament der heutigen Gesellschaft. Aber der Trend zur Privatisierung und Geheimhaltung von Wissen scheint sich zu verstärken. In den USA ist es bereits möglich Gen-Stränge patentieren zu lassen, deren Funktion noch nicht einmal bekannt ist. Wird die Heilung von Krankheiten auf Basis der Gen-Medizin in Zukunft nur noch möglich sein, indem man die dafür benötigten Stoffe - bzw. die Verfahren zur deren Erzeugung - von einem Pharmakonzern lizensiert? Werden diejenigen leiden müssen, die sich wegen ihrer finanziellen Notlage die geforderten Gebühren nicht leisten können? Gerade in der Biotechnologie und dem Informations- und Kommunikationssektor, den am schnellsten wachsenden und einflußreichsten Branchen überhaupt, sollten diese Strategien ausführlich auf ihre Konsequenzen hin überprüft werden.

Natürlich muß der Wert einer freien oder geheimen Information aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Persönliche und andere kritische Daten müssen selbstverständlich auch weiterhin zum Schutz der Privatsphäre geheim gehalten werden. Bauanleitungen für Bomben, rassistisches und pornografisches Material sind ebenfalls keine guten Kandidaten für die Veröffentlichung. Doch wie sieht es bei kritischen, politischen Nachrichten oder Industriegeheimnissen aus? Die Verfahren zur Gewinnung und Behandlung von Seide waren in China lange Zeit ein gut gehütetes Geheimnis, auf dessen Verrat die Todesstrafe stand. Jahre später nach der Bekanntgabe der Methoden war es einer Vielzahl von Unternehmen möglich, in das Textilgeschäft mit Seide einzusteigen und für einen ausgeglicheneren Markt sorgen.

"That ideas should freely spread from one to another over the globe, for the moral and mutual instruction of man, and improvement of his condition, seems to have been peculiarly and benevolently designed by nature, when she made them, like fire, expansible over all space, without lessening their density at any point, and like the air in which we breathe, move, and have our physical being, incapable of confinement or exclusive appropriation." - Thomas Jefferson

Zur ausgewogenen, angemessenen Behandlung von Informationen und schöpferischen Werken hinsichtlich ihres Werts für den Urheber und des Nutzens für die Allgemeinheit starteten anerkannte Anwälte und Internet-Experten Initiativen zur Erstellung neuer oder Überarbeitung alter Gesetze. Open Law und das Counter-Copyright [57] setzen beim Urheberrecht an, das im Internet-Zeitalter einer Überarbeitung bedarf. Es soll dem öffentlichen Allgemeininteresse mehr Beachtung schenken, aber potentielle Urheber auch nicht entmutigen, kreativ zu werden.

Zum Abschluß sei noch ein Blick in die mögliche Zukunft der Computerindustrie erlaubt: Vor 25 Jahren war der Hardware das alleinige Geschäft vorbehalten. Abgelöst wurde sie von der Software, heute der umsatzstärkste IT-Bereich. Doch die Zukunft hat bereits begonnen, indem das Internet, seine globale Infrastruktur, seine umfassenden Dienste nicht nur die Kommunikation, sondern auch andere Bereiche des Lebens eines jeden massiv beeinflußt. Tim O'Reilly nennt diesen Trend Infoware [58], Sun meint "Das Netz ist der Rechner" und IBM redet von Internet/Information Appliances.

Microsoft hat mit einer proprietären Software auf einer offenen Hardwareplattform - dem IBM-PC - eine ungeheure Macht erlangt, mit der bestimmt werden kann, wie Software auszusehen hat, die auf einem PC läuft. Statt dem PC und seiner Software gehören den kleinen Geräten und den Internet-Dienstleistungen die Zukunft. Gelänge es Unternehmen wie Amazon (auf einer freien Softwareplattform) ein proprietäres E-Commerce-System und Servicegeschäft zu errichten, können sie zu den gefährlichen Monopolen der Zukunft werden1. Es ist zu verschmerzen, wenn freie Software den Desktop nicht erobert, aber das auf freier Software und offenen Standards aufgebaute Internet muß offen bleiben und darf nicht in die Hände einer einzelnen Organisation fallen.


1 Der erste Schritt in diese Richtung ist bereits getan. Amazon patentierte ein einfaches Verfahren zur Speicherung von Kundeninformationen bezüglich Bestell- und Bezahlungsvorgängen im Browser.


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