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Kapitel 5 (d)

5.2.3 Das Projekt

Um die hohe Hürde von der ersten Version zu einem organisierten Projekt zu nehmen, muß die Software einige Bedingungen erfüllen. Sie muß über einen so allgemeinen Funktionsumfang verfügen, daß sie möglichst viele Entwickler und Anwender anspricht. Löst sie ein Problem, das viele Benutzer haben, so ist es wahrscheinlich, daß sich viele Programmierer an der Weiterentwicklung beteiligen werden. Das Projekt muß ein gewisses Attraktivitäts-, Identifikations- und Entwicklungspotential besitzen. Verstärkt wird diese Eigenschaft noch, wenn es lückenfüllende Funktionen bietet (z.B. Perl) oder das Zeug zu einer "Killerapplikation" in seinem Einsatzgebiet hat (z.B. sendmail, DNS/BIND).

Auch die Struktur eines Projekts trägt zu ihrem Erfolg bei. Stark modularisierte Werke, die in weitere unabhängige Unterprojekte aufgeteilt werden können, haben grundsätzlich bessere Voraussetzungen. Bei KDE oder GNOME können Programmierer, ohne auf die Kernentwicklung und komplizierte Vorgaben zu achten, relativ schnell Anwendungen, Hilfs- oder Systemprogramme erstellen [39]. Erfolgserlebnisse stellen sich hier wesentlich schneller ein als bei einem monolithischen Projekt wie Mozilla, bei dem der Entwickler viele Spezifikationen und Schnittstellen einzuhalten hat und auf eine enge Kommunikation mit dem Kern-Team angewiesen ist. Ein sichtbares Ergebnis bleibt dann bei dieser Arbeit aber meistens dennoch aus.

Die folgenden Unterabschnitte beschreiben die menschlichen und technischen Ressourcen, die für ein erfolgreiches, freies Software-Projekt benötigt werden. Sie werden umso wichtiger, je größer es wird. In der Regel spricht man erst von einem Projekt, wenn es einige zehntausend Codezeilen hat und zumindest zehn Programmierer daran beteiligt sind. Zur Orientierung: KDE besteht aus ca. zwei Millionen Zeilen, die von weltweit über 200 Entwicklern programmiert werden. An Linux beteiligen sich noch mehr Hacker mit insgesamt fast drei Millionen Zeilen.

5.2.3.1 Motivierte Mitglieder

Ein freies Software-Projekt wird von seinen Mitgliedern getragen. Die Quelle ihrer kreativen Energie ist nicht Geld, sondern eine Vielzahl von sozialen und persönlichen Vorteilen, die durch die Zusammenarbeit in einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten entstehen. Neben dem Spaß am Programmieren ist der Erfolg, die intellektuelle Herausforderung und technische Neugier Antriebskraft (nicht nur) für effektive Softwareentwicklung. Anerkennung und Prestige sind soziale Statussymbole, die eine emotionale Verbundenheit vom Programmierer zum Projekt herstellen. Sie fehlen weitgehend in der traditionellen Softwareherstellung. Für Hacker stellt es eine Genugtuung dar, wenn Anwender Software benutzen, die sie entwickelt oder an der sie mitgearbeitet haben.

"There's one lesson that's really obvious: You cannot motivate the best people with money. Money is just the way to keep score. The best people in any field are motivated by passion. This becomes more true the higher the skill level gets." - Eric Raymond

Der Zwang, etwas tun zu müssen, der klassische, demotivierende Faktor bei der bezahlten Arbeit in einem Unternehmen entfällt, da die meisten Mitglieder freiwillig in ihrer Freizeit Arbeit für das Open-Source-Projekt erledigen, was aber auf keinen Fall bedeutet, daß sie ihr Hobby nicht ernst nehmen. Im Gegenteil, an Eifer und Enthusiasmus sind sie kaum zu überbieten.

Das wichtigste Mitglied eines freien Software-Projekts ist der Gründer bzw. Inhaber. Er sollte nicht nur ein gute Programmierer, sondern auch ein guter Designer (im softwaretechnischen Sinn) und Organisator sein. Ist er das nicht, so muß er zumindest gute Programmierung und gutes Design erkennen können. Besonders wichtig ist aber seine Fähigkeit zur Kommunikation, die Grundlage für eine dezentrale, verteile Entwicklung, denn bei ihm laufen die Fäden zusammen, die zu einem Tau verstrickt werden müssen. Oft ist der "Code Captain" eine charismatische oder visionäre Persönlichkeit, die von anderen beteiligten Projektmitgliedern in vollem Maße akzeptiert und respektiert wird.

Den Leiter umgibt meist ein Kreis von Kernentwicklern, die Schreibzugriff auf den Quellcode haben und somit eigenmächtig Änderungen tätigen können, falls sie sich vorher durch entsprechend wertvolle Beiträge hervorgehoben haben. Um sie zieht sich ein weiterer Kreis von sporadisch beitragenden Programmierern und Anwendern. Sie arbeiten häufig an der Fehlerbeseitigung und an Tests sowie an kleineren Modifikationen und Erweiterungen. Nichtsdestotrotz werden sie gebührend behandelt und gewürdigt, was wiederum ihre Motivation fördert.

Ab einer gewissen Projektgröße sind oft auch Manager, PR-Leute und sogenannte Evangelisten involviert, die das Vorhaben strategisch planen und fördern. Sie propagieren mit rhetorischem und diplomatischem Geschick seine Vorzüge und die der freien Softwareentwicklung.


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