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Kapitel 2 (e)

2.5 Red Hat

Red Hat ist das beste Beispiel für ein erfolgreiches Unternehmen, das Produkte und Dienstleistungen im Open-Source-Sektor anbietet. Sein Flaggschiff ist die marktführende Linux-Distribution, ein freies Betriebssystem basierend auf den Entwicklungen von Linus Torvalds und der freien Software-Gemeinde.

Die Gründer Bob Young und Marc Ewing vertrieben 1994 Unix-Software, Bücher und CD-ROMs, darunter auch Linux. Letzteres stieg zum Bestseller auf, obwohl es gar keinen Hersteller und Vertrieb im üblichen Sinne gab. Stattdessen wurde es gemeinsam von hunderten, weltweit kooperierenden Programmierern entwickelt. Young und Ewing gingen der Sache auf den Grund und erforschten die neuen Gefilde der Betriebssystem-Entwicklung in einer offenen Hacker-Gemeinschaft. Ihnen wurde bewußt, daß es sich hier um ein ganz neues Softwareentwicklungsmodell handelte, dem es aber an professioneller und strategischer Marktwirkung mangelte. Sie beschlossen, ihre betriebswirtschaftlichen und technischen Kenntnisse in einem Unternehmen zu bündeln, das fortan all diejenigen Lügen strafen sollte, die behaupteten, mit freier Software könne man kein Geld verdienen.

Um Geld in die Firmenkasse fließen zu lassen, bedurfte es natürlich anderer Methoden als derer von Herstellern proprietärer Software, die ihr geistiges Eigentum - den Quellcode ihrer Produkte - schützen ließen und die Programme an ihre Kunden für hohe Summen lizensierten. Red Hat war ja genau genommen gar kein Softwarehersteller, sondern eher Vertrieb und Verkäufer.

"In fact you make money in free software exactly the same way you do it in proprietary software: by building a great product, marketing it with skill and imagination, looking after your customers, and thereby building a brand that stands for qualitiy and customer service." - Bob Young, Red Hat

So studierte man Märkte verschiedenster Branchen, um die Gründe für den Erfolg bestimmter Firmen herauszufinden. All diese Unternehmen brachten große Geldsummen dafür auf, ihren Namen als Marke in den Köpfen der Kunden und Konsumenten festzusetzen, damit automatisch eine Assoziation mit ihrem Produkt hervorgerufen wurde: Frühstücksflocken heißt Kelloggs, Online-Buchhandel heißt Amazon, Prozessoren heißt Intel und Linux sollte nun Red Hat heißen. Eine Marke steht für Qualität, und für Qualität bezahlt man viel Geld.

Aber Red Hat konnte auch schon jetzt ein stichhaltiges Verkaufsargument vorweisen, denn es stellte eine nicht zu unterschätzende Dienstleistung dar, die zahlreichen Programme verschiedener Autoren und Softwarekomponenten eines Linux-Systems zu einer Distribution, einem einheitlichen Betriebssystem zusammenzufassen, das auch von weniger versierten Benutzern installiert, konfiguriert und angewendet werden konnte1.

Nahezu jede Software, die Red Hat in seine Distribution aufnimmt, ist freie Software; die meiste davon ist der GPL unterstellt und garantiert somit ihre Freiheit. Hierdurch ergibt sich der klare Vorteil gegenüber proprietärer Betriebssysteme: Die Kontrolle über die vom Kunden erworbene Software liegt immer und ausschließlich bei ihm und nicht beim Hersteller [21].

Nach den ersten Kunden, den technikbegeisterten und risikofreudigen Hackern, wurden langsam auch Anwender aus anderen Fachgebieten als der Informatik auf Linux aufmerksam. Auch Behörden und Unternehmen interessierten sich zunehmend für die Dienstleistungen von Red Hat. Die Geschäftsführer Young und Ewing waren sich darüber klar, daß es nicht beim Verkauf von CD-ROMs mit einem freien Betriebssystem bleiben konnte. Der Ruf nach ergänzenden Diensten, Support und Service verhallte nicht ungehört.

So bietet Red Hat heute nicht nur Support in verschiedenen Ausbaustufen für seine Kunden an, sondern auch Entwickler- und Administrationstraining, in dem sich jeder zum Red Hat Certified Engineer ausbilden lassen kann. Partnerprogramme, Beratungs"~, Planungs-, Evaluierungs- und Integrationsdienstleistungen vervollständigen das Serviceangebot.

Für die Softwareentwicklung gründete man eine eigene Unterorganisation, die Red Hat Advanced Developer Laboratories (RHAD Labs). Hier wird in unabhängigen Projektgruppen an freier Software gearbeitet. Somit profitiert Red Hat nicht nur von der Open-Source-Szene, sondern gibt ihr auch etwas zurück. Die meisten Anstrengungen werden getätigt, um eine einheitliche und intuitive Benutzeroberfläche für Linux zu schaffen. So wird ein Großteil des Desktops GNOME in den RHAD Labs entwickelt.

Red Hats Erfolg zieht viele Unternehmen der Branche an. Partnerverträge werden unterzeichnet, Zertifizierungen ausgestellt und IBM, Intel und Netscape investieren in Red Hat. IBM, Compaq, Hewlett-Packard und SGI liefern nun ihre Server-Systeme auch mit Red-Hat-Linux aus.

Kurz nach dem Börsengang im Juni 1999 stieg die Aktie von Red Hat rasant, auch wenn bei der Offenlegung der Geschäftsdetails ein Verlust von mehreren hunderttausend Dollar bei einem Umsatz von sechs Millionen zutage trat. Das zusätzliche Kapital wird unter anderem dazu verwendet, neue Räume zu erschließen. In Deutschland und Großbritannien sowie in Asien sind bereits Niederlassungen eröffnet worden.

Im November 1999 wurde das Red Hat Center For Open Source (RHCOS) aus der Taufe gehoben. Eine non-profit-Organisation, die nicht nur die Open-Source-Softwareentwicklung unterstützt, promotet und sponsort, sondern auch den ideologischen Gedanken der freien Software fördert.

Ebenfalls im November stürmte ein weiteres einschneidendes Ereignis die Schlagzeilen. Red Hat übernahm für 674 Millionen Dollar die Firma Cygnus Solutions. Cygnus ist durch seinen beliebten, freien Entwicklungstools (inklusive Support) bekannt geworden und ist auch auf dem Markt der Embedded Systems tätig. Zusammen sind sie nun mit 416 Mitarbeitern (235 Red Hat, 181 Cygnus Solutions, Stand 15. November 1999) der größte Anbieter von Open-Source-basierten Lösungen.

Das immense Wachstum des Unternehmens wird in der kritischen freien Software-Szene nicht einhellig befürwortet. Viele sehen in Red Hat einen potentiellen Open-Source-Monopolisten, der bereits jetzt zu viel Macht hat.


1 Mittlerweile beinhaltet eine Red-Hat-Distribution an die 500 verschiedene Softwarepakete.


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