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Kapitel 2 (c)

2.3 Mozilla

Der Geburt der Software-Schmiede Mozilla lief ein Ereignis voraus, das zu dieser Zeit einmalig in der IT-Branche war: Ein großes Softwareunternehmen gab am 23. Januar 1998 bekannt, den Quellcode seiner Internet-Software (Netscape Navigator/Communicator) zu veröffentlichen. Der Hersteller Netscape hatte kurz zuvor schon diesen kostenlos zum Download bereitgestellt. Im Kampf mit Microsoft um die Herrschaft auf dem Browser-Markt war es Netscape nicht mehr möglich, Geld dafür zu verlangen. Aber das sonst gut gehütete Geheimnis, den Quelltext, freizugeben, erstaunte selbst die freie Software-Gemeinde. Nach der Mitteilung auf der Homepage von Netscape hatte sich die Meldung [16] in Windeseile über das ganze Internet verbreitet.

Netscapes Manager hofften, durch diesen Schritt die Position ihrer Firma wieder zu verstärken. Man hatte bereits intern mit Open-Source-Software experimentiert, aber das Entwicklungsmodell, seine wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Konsequenzen begriff man erst nach Studium von Raymonds Essay The Cathedral and the Bazaar. So hieß es dann in Netscapes offizieller Pressemitteilung:

"By giving away the source code for future versions, we can ignite the creative energies of the entire Net community and fuel unprecedented levels of innovation in the browser market. Our customers can benefit from world-class technology advancements; the developer community gains access to a whole new market opportunity; and Netscape's core businesses benefit from the proliferation of the market-leading client software."

Man beschloß, den Quellcode des Communicators 5.0 (in der Entwicklung befindlich) am 31. März 1998 weltweit zugänglich zu machen. Bis dahin mußte mehr Arbeit geleistet werden als vorher angenommen wurde. Zum Beispiel mußte der Sourcecode vom Netscape Communicator, Mozilla genannt, von Programmteilen von Drittanbietern befreit werden, die nicht frei waren/werden sollten. Außerdem mußte man eine neue Lizenz entwerfen, die im Interesse der freien Software-Szene war, aber auch Netscapes Marktstrategien nicht durchkreuzte. In einer eigenen Newsgroup diskutierte man Vor- und Nachteile und fand schließlich einen Kompromiß, der beide Seiten einigermaßen zufriedenstellte. Neben der Netscape Public Licence (NPL) wurde eine zweite Lizenz geschaffen, die Mozilla Public Licence (MPL), die der NPL gleicht, abgesehen davon, daß sie Netscape keine Sonderrechte einräumt.

Als neue Heimat für den gesamten Quellcode (immerhin 1,5 Millionen Zeilen) dienten neue Server unter der Domain mozilla.org. Es gelang schließlich, den Code fristgerecht zum 1. April dort unterzubringen. Von nun an hatte die Mozilla-Gemeinde, wie sie sich selbst nannte, die schwierige Aufgabe quasi von heute auf morgen die Koordination dieses wichtigen Software-Projekts zu übernehmen, einschließlich Entwicklung und Finanzierung.

Genau genommen kümmert sich das Mozilla-Team nicht primär um die Programmierung, sondern um die Integration der Programmteile. Ein Großteil der Entwicklung findet immer noch in den Laboren von Netscape statt [17].

Nach einem Jahr konnte das Projekt keine sonderlichen Erfolge nachweisen. Das verwunderte nicht, denn selbst erfahrene Programmierer mußten viel Zeit aufbringen, die Programmstruktur zu verstehen, die in der riesigen Menge Quellcode steckte. So blieben fremde Beiträge zunächst aus, zumal so gut wie keine Dokumentation vorhanden war. Einige Netscape-Mitarbeiter wurden wieder abgezogen, um am (weiterhin proprietären) Netscape Communicator 4.0 (für die darauffolgenden Versionen 4.5, 4.6 usw.) zu arbeiten. Zudem betrachteten viele Entwickler aus der freien Software-Szene Mozilla immer noch als viel zu "netscape-lastig".

Jamie Zawinsky, lange Zeit bei Netscape beschäftigt und wichtiges Mitglied von Mozilla.org, zog die Konsequenzen und verließ das Projekt, weil er es als gescheitert ansah. Auch Raymond zeigte sich enttäuscht. Netscape tat als Hersteller von proprietärer Software erstmals den wegweisenden Schritt in Richtung Open Source, doch ist dieser Schritt nicht nur als "Wohltätigkeit für die Allgemeinheit" zu sehen, sondern auch als letzte Rettung für ein zerfallendes Unternehmen. Open Source ist nun mal kein Allheilmittel [18].

"You can't sprinkle a project with the magic pixie dust of 'open source', and have everything magically work." - Jamie Zawinsky, Mozilla.org

Dennoch verläuft Mozilla.org nicht im Sande. Mittlerweile wurde das Release M121 herausgegeben, das auf vielen Plattformen eingesetzt werden kann. Gerade die vielen Portierungen sind ein Kennzeichen für freie Software. Die Mozilla-Architektur ist darauf ausgelegt, sogar Umsetzungen für Nicht-PC-Geräte wie PDAs (Personal Digital Assistants) und Settop-Boxen zu ermöglichen.


1 M steht für Milestone. Mozilla.org setzt für sein Produkt Meilensteine, die bei Erreichen in der Veröffentlichung einer neuen Version resultieren.


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